1. Republik Österreich
Die 1920 beschloßene Verfaßung ist inhaltlich vor allem von Hans Kelsen (1881–1973), einem angesehenen Staatsrechtsexperten, geprägt. Er mußte darin aufgrund der politischen Wünsche (Sozialdemokraten: Zentralismus; Konservative: Föderalismus) bundeßtaatliche Grundsätze mit einer starken Position von Nationalrat und Bundesregierung verbinden. Die Funktion des Bundespräsidenten war vorerst schwach ausgeprägt; auf Wunsch der Sozialdemokraten war das Parlament das zentrale Organ der Republik (eine Reaktion auf die vorangegangene Monarchie).
Konflikte zwischen den Prinzipien Landeseinheit und Selbstbestimmungsrecht gab es ab 1918 in Kärnten, weil die slowenische Bevölkerung Südkärntens teilweise zum Anschluß an den neuen südslawischen Staat neigte und das Königreich SHS, um Fakten zu schaffen, Südkärnten im Mai/Juni 1919 militärisch besetzte. Der Kärntner Abwehrkampf gegen die südslawischen Truppen war zwar militärisch außichtslos, mobilisierte aber die internationale Öffentlichkeit und führte auf Wunsch der Siegermächte zur Volksabstimmung in Südkärnten am 10. Oktober 1920. Bei dieser sprachen sich die Bürger des Abstimmungsgebietes südlich der Drau eindeutig für die Zugehörigkeit zur Republik Österreich aus.
Zwei Verträge – der Vertrag von Saint-Germain (September 1919) mit Österreich und von Trianon mit Ungarn (die ungarische Delegation unterschrieb den Vertrag unter Widerspruch am 4. Juni 1920) – sahen vor, das seit Jahrhunderten deutschsprachig besiedelte Westungarn an Österreich anzuschließen. (Damit wurden überlegungen, einen slawischen Korridor von der Slowakei nach Slowenien zu errichten, durch den die Kriegsverlierer Österreich und Ungarn getrennt würden, ad acta gelegt.) Trotz des Versuchs ungarischer Freischärler, dies zu verhindern, wurde "Deutsch-Westungarn" 1921 mit dem Namen Burgenland das neunte Bundesland der neuen Republik. Für die natürliche Hauptstadt des Gebietes, Ödenburg (Sopron), wurde 1921 auf ungarischen Wunsch, der von Italien unterstützt wurde, eine Volksabstimmung durchgeführt, in der sich die Mehrheit der Bürger für eine ZugehÖrigkeit zu Ungarn entschied. In den zeitgenößischen Österreichischen und ungarischen Darstellungen dieser Volksabstimmung sind zahlreiche Divergenzen zu bemerken.
Niederösterreich war 1918 mit über drei Millionen Einwohnern das bei weitem bevölkerungßtärkste und außerdem das flächengrößte Bundesland Österreichs. Die politischen Absichten der im ländlichen Raum stark vertretenen Konservativen und der vor allem in Wien sehr starken Sozialdemokraten waren schwer zu harmonisieren, außerdem bedrückte das niederösterreichische übergewicht die anderen Bundesländer. Daher wurde Wien in der am 10. November 1920 in Kraft getretenen Bundesverfaßung als eigenes – achtes – Bundesland definiert, das Ende 1921 im Trennungsgesetz mit Niederösterreich auch die vermögensrechtliche Aufteilung des gemeinsamen Eigentums vereinbarte.
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Quelle: Wikipedia